Wer wird denn gleich in die Luft gehen, so lautet der Slogan einer Zigarettenmarke in den 1970er-Jahren. Vermutlich kennst du auch das Brettspiel Mensch ärgere dich nicht. Beide haben eines gemeinsam: Sie senden uns die Botschaft, Ärger und Wut sind nicht salonfähig – am besten sollten wir die Wut unterdrücken oder den Ärger gleich runterschlucken.
Doch hierbei übersehen wir etwas Wesentliches: Jede Emotion – auch Wut und Ärger – ist wichtig. Sie geben uns Auskunft über unsere inneren Bedürfnisse.
Ich selbst habe lange gebraucht, um überhaupt einen Zugang zu meiner Wut zu finden – geschweige denn, konstruktiv mit ihr umzugehen. In meiner Kindheit war Wut etwas Bedrohliches – mein Vater konnte an manchen Tagen unberechenbar sein – laut und jähzornig. Meine Mutter dagegen bemühte sich stets um Harmonie und vermied Konflikte. Das war eine spannende Mischung und deshalb auch oft hochexplosiv. Ich lernte früh: Wut tut nicht gut. Wut zerstört. Und ich sollte sie am besten gar nicht erst fühlen, sondern runterschlucken. Doch genau das führte dazu, dass auch meine Wut sich ihren Weg suchte – meist unkontrolliert und in unpassenden Momenten. Das war lange mein großes inneres Dilemma.
Wie ich aus diesem Dilemma herausgefunden habe – und warum es so wichtig ist, Wut zu verstehen und bewusst mit ihr umzugehen – darum geht es in diesem Artikel.
Ich nehme dich mit in die Welt der Emotionen: Was ist Wut eigentlich? Warum entsteht sie? Welche Bedürfnisse liegen dahinter?
Und vor allem: Wie können wir lernen, diese kraftvolle Emotion als Wegweiser zu nutzen – statt sie zu fürchten?
Was sind Wut und Ärger?
Wut und Ärger sind Emotionen und damit ein grundlegender Bestandteil von uns Menschen. Emotionen wirken auf mehreren Ebenen gleichzeitig: Sie zeigen sich körperlich, beeinflussen unsere Wahrnehmung und steuern unser Verhalten. Scham lässt uns Erröten, die Angst sitzt uns im Nacken oder macht weiche Knie. Verliebtheit zaubert uns Schmetterlinge in den Bauch und Wut bring uns spürbar in Wallung- vielleicht spürst du sie als Hitzewelle als Spannung in Brust und ein ballen der Fäuste.
Emotionen lenken unsere Aufmerksamkeit.
Entweder reagieren wir mit einer Annäherung zu etwas oder einer Vermeidung von etwas. Gleichzeitig beeinflussen unsere Emotionen auch unsere Wahrnehmung: Sie kann sich öffnen und weiten oder sich verengen und verschließen.
Zurück zu Wut und Ärger. Beide stammen aus der selben „Emotionsfamilie – Ärger“. Wut zeigt sich durch einen deutlich höhere emotionale Intensität im vergleich zu Ärger. Frustration ist auf der Intensitätsskala am untersten Ende. Auch Empörung und „Sauer“ sein gehören dazu. Ärger ist eine sehr dynamische Emotion, sie bringt uns in Bewegung. Sie sorgt im funktionalen Zustand dafür, unsere Werte zu schützen, Zielhindernisse aus dem Weg zu räumen und Ungerechtigkeiten zu erkennen.

Welches Bedürfnis steckt hinter der Wut?
Es stecken gleich mehrere Bedürfnisse hinter Wut und Ärger. Wenn Ärger reden könnte würde sie sagen:
➡️ „Achtung – deine Werte sind gerade in Gefahr.“ Oder:
➡️ „Hier steht mir etwas oder jemand beim erreichen meines Zieles im Weg.“ Oder auch:
➡️ „Das ist unfair- hier geschieht Ungerechtigkeit.“
Denn Ärger und Wut haben 3 Trigger.
- Werte Verletzung
- Ziel Hindernis
- Ungerechtigkeit
Deshalb ist es absolut hilfreich die Botschaften hinter den Emotionen zu entschlüsseln.
Mein Kollege Sebastian Mauritz, Inhaber der Resilienz Akademie in Göttingen, nennt den Ärger deshalb sehr treffend auch: „Hüterin der Werte“– sie zeigt uns, was uns wirklich wichtig ist.
Und Dirk Eilert, Emotionsforscher aus Berlin nennt Ärger: „den Krieger der Selbstwirksamkeit“ -eine Energie die uns hilft für uns einzustehen und ins Handeln zu bringen.
Sowohl die Hüterin der Werte, als auch der Krieger der Selbstwirksamkeit, laden uns förmlich dazu ein Wut und Ärger in Zukunft neu zu denken – als Navigationshilfe für unsere Bedürfnisse.

Was noch wichtig ist
Wie gut wir mit Emotionen umgehen können – auch mit Wut und Ärger , hängt sehr stark davon ab, wie und was wir über Emotionen denken.
Eine aktuelle psychologische Studie aus dem Jahr 2024 bestätigt, dass was wir über Emotionen denken entscheidender ist, als die Emotion selbst.
Wenn wir z.B. denken: Wut ist gefährlich“, „Ich darf nicht ärgerlich sein“ oder „Das bringt doch nichts“ –
dann fühlen wir uns unseren Emotionen ausgeliefert. Sie belasten uns mehr, weil wir gegen sie ankämpfen.
Vielleicht ärgern wir uns sogar darüber, dass wir uns ärgern – ein emotionaler Teufelskreis.
Besser und hilfreicher ist es Emotionen bewusst wahrzunehmen, anzunehmen und zuzulassen. Uns selbst erlauben, dass wir alle Emotionen wahrnehmen und fühlen dürfen – angenehme und unangenehme Emotionen
Denn sie alle geben uns Auskunft über erfüllte oder unerfüllte Bedürfnisse.
Kurz gesagt: Wie wir über Emotionen Denken beeinflusst unser psychisches Erleben und unser Wohlbefinden.
Und noch etwas ist so hilfreich über Wut und Ärger zu wissen:
Bereits fünf Minuten dysfunktionale Wut – also unkontrollierter, destruktiver Ärger können unser Immunsystem bis zu sechs Stunden lang beeinträchtigen.
Das zeigt, wie eng Psyche und Körper verbunden sind – und wie sehr ein bewusster Umgang mit Wut unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden stärkt.
Tipps für einen bewussten Umgang mit deiner Wut
1.Wahrnehmen:
Unterdrücke deine Wut nicht. Nimm sie wahr. Um in der Wut überhaupt handlungsfähig zu werden gönne dir eine kleine Atempause, um etwas Ruhe ins System zu bringen. Dann brauchst du deine Wut nicht zu unterdrücken, sondern darfst sie bewusst spüren und dir sagen: Ich spüre Wut und gleichzeitig erkenne ich an – ich bin nicht meine Wut! Dieses Anerkennen und Benennen reguliert schon die Intensität der Wut und du kannst zum nächsten Schritt übergehen.
2. Erkennen:
Nutze Wut als inneren Kompass und frage dich:
- Welches Bedürfnis wurde gerade verletzt?
- Was behindert mich auf dem Weg zu meinem Ziel?
- Welch wichtiger Wert von mir wurde gerade übergangen?
- Was habe ich gerade als Ungerechtigkeit erlebt?
3. Kommunizieren:
Lerne Schritt für Schritt deine eigenen Bedürfnisse klar und ruhig auszudrücken –ohne anzugreifen, sondern mit klaren Worten und ohne in den Rückzug zu verfallen.
4. Handeln:
Suche nach Lösungen.
Frage dich: “ Was brauche ich jetzt wirklich?“ – „Was kann ich konkret tun?“ um wieder handlungsfähig zu werden.

Fazit
Wut ist kein Feind, sondern ein wichtiger Hinweisgeber auf unerfüllte Bedürfnisse – sei es durch ein Zielhindernis, eine Werteverletzung oder eine erlebte Ungerechtigkeit. Ich darf mir erlauben, meine Wut und meinen Ärger zu fühlen und zu benennen. Schon das konkrete Benennen sorgt für eine Regulation der Emotion. Wer sein Bedürfnis hinter der Wut versteht, kann sie viel besser einordnen und die Energie für eine Veränderung nutzen. So entsteht Selbstwirksamkeit – aus dem bewussten Umgang mit unserer Wut und dem Erkennen und Handeln für unsere Bedürfnisse.
Hast du Lust auf eine kleine Selbstreflexion? Sie kann dir helfen, dich noch besser kennenzulernen – und schenkt dir immer mehr Freiheit in der Wahl deiner Reaktionen.
Einladung zur Selbst-Reflexion:
- Wie bist du bisher mit deiner Wut und deinem Ärger umgegangen ?
- Erlaubst du dir schon, wütend zu sein? Oder schluckst du sie (noch) runter?
- Erkennst du schon das verletzte Bedürfnis dahinter? Was könnte es sein?
- Und wie möchtest du in Zukunft damit umgehen?
Ich bin überzeugt: Seit ich gelernt habe mit meiner Wut und meinem Ärger in Kontakt zu kommen, gehe ich deutlich entspannter mit den „Ärger-Herausforderungen“ des Alltags um. Ich bleibe mehr bei mir, kann meine Bedürfnisse klarer – und meist wertschätzend – kommunizieren. Ich fühle mich nicht mehr als Opfer der Umstände, sondern gestalte mein Leben. Das schenkt mir mehr Freiheit, Selbstbestimmtheit und Lebendigkeit.
Vielleicht ist es auch für dich an der Zeit, deine Wut und deinen Ärger ganz neu kennenzulernen – und ihre klare verändernde Kraft für dich zu nutzen.
Es lohnt sich!
➡️ Du wünscht dir Unterstützung? Dann lass uns sprechen, welches meiner Angebote für dich besonders hilfreich ist. Schreibe mir eine Mail an: info@waltraud-koller.de
➡️ Du möchtest mehr Impulse von mir? Dann hüpf doch einfach in meinen Newsletter FreiRaum für dich rein.
Ich freue mich auf dich!
Wenn du magst, lass uns in einen Austausch gehen:
Wie gehst du mit deiner Wut und deinem Ärger um? Welche hilfreichen Strategien hast du schon für dich gefunden? Ich freue mich auf deinen Kommentar.
13 Comments
Liebe Waltraud,
das ist ein wunderbarer Artikel und er ist so wichtig.
Auch ich habe schon in jüngsten Kindertagen gelernt, dass Wut und Ärger etwas Schlechtes sind. Es hat sehr lange gedauert, im Erwachsenenalter umzudenken und zu lernen die Wut und den Ärger annehmen und fühlen zu können. Und so wie mir geht es vielen anderen auch.
Ich wünsche dir von Herzen, dass ganz viele Menschen deinen Artikel lesen und einen ganz anderen Blick auf diese kraftvollen Emotionen gewinnen, ja, sie auch zu fühlen und zu kommunizieren lernen.
Liebe Grüße schickt dir Britta.
Liebe Britta,
ja, wir alle haben so unsere „Kindheitserfahrungen“. Gut ist es, wenn wir mit und an ihnen wachsen. Ich freue mich über jede und jeden, die sich auf den Weg macht, sich und seine Emotionen besser zu verstehen. Und klug, klar und kraftvoll emotional Agieren. Danke für dein wertvolles Feedback und deine Wünsche. Herzliche Grüße zurück sendet dir Waltraud
Ganz liebe Grüße aus Schweden und dein Artikel fast wunderbar persönlich und hilfreich zusammen, welch Geschenk unsere Wut ist. Danke dafür und auch ich wünsche dir viel Aufmerksamkeit für diesen Blogartikel.
Herzlichst Sonja
Hey Hey liebe Sonja,
wie schön, dass du dir in deinem Schwedenurlaub Zeit für meinen Blogartikel genommen hast.
Herzlichen Dank für deine lieben Worte und deine Wertschätzung.
Wir werden sehen, wieviel Aufmerksamkeit mein Artikel gewinnt.
Ich hoffe sehr, ich kann hier ein wenig für einen anderen Umgang mit Wut und Ärger sorgen.
Herzliche Grüße von mir zu dir nach Schweden und genieße deine Urlaubszeit🤗
Liebe Waltraud, das ist ein sehr wertvoller und wichtiger Artikel, der für viele Menschen Verständnis und Unterstützung bietet.
Ich habe ähnliche Erfahrungen gemacht und begleitet in meiner Arbeit durch die emotionalen Verletzungen der Vergangenheit in ein freies und selbstbestimmtes Leben.
Ich wünsche dir weiterhin viel Freude und Erfolg.
Herzliche Grüße von Anita
Liebe Anita,
Danke für dein Feedback und deine Wünsche.
Verständnis und Unterstützung war auch mein Antrieb für diesen Artikel.
Da ich in meinen Coachings immer wieder erlebe, wie beschämend vor allem Frauen mit ihrer Wut und ihrem Ärger umgehen.
Unterdrücken, nicht fühlen wollen oder am besten „wegmachen“ sind gängige Wünsche (nicht nur bei Wut, sondern auch bei anderen unangenehmen Emotionen)
Oft geht es auch um die Wut gegen sich selbst – meist aus Sorge nicht genug zu sein.
Wie schön, dass auch du in deiner Arbeit emotionale Verletzungen in den Blick nimmst.
Herzliche Grüße von Waltraud
Liebe Waltraud, danke für diesen klaren und hilfreichen Beitrag, den ich gerne gelesen habe.
Alles Gute aus Münster von Mangala
Liebe Mangala, vielen Dank für dein Feedback. Es freut mich, dass du in gerne gelesen hast und er für dich auch hilfreich war. Welche Strategien hast du schon für dich gefunden?
Liebe Waltraud, dein Blog ist sehr hilfreich, anregend und aufschlussreich! Die wirkliche und unbestritten effektive Herausforderung hierbei besteht tatsächlich der Empfehlung nach sich hierin immer wieder neu zu üben seiner Bedürfnisse klar zu werden und sie wertschätzend und ohne anzugreifen zu kommunizieren, auch für mich noch ein Übungsfeld!
Vielen Dank für diese Anregungen,
LG Heidi!
Liebe Heidi, danke für deine Worte.
Du beschreibst die Herausforderung, die wie vermutlich alle haben: unsere Bedürfnisse zu erkennen,
uns darüber klar werden, was wir brauchen und dies dann auch noch angemessen im Außen mitzuteilen.
Eine immer währende Übungsaufgabe mit der guten Aussicht auf Erfolg🤗
Herzliche Grüße von Waltraud
Wow, was für ein toller Artikel! Wahnsinn! Danke, danke, danke! 🙏
Liebe Michelle,
vielen lieben dank für dein „Wow“- da zauberst du mir ein Lächeln ins Gesicht vor Freude.
Was war für dich in meinem Artikel denn eine hilfreiche wow Erkenntnis?
Und welch hilfreiche Strategien hast du für dich schon gefunden?
Herzliche Grüße von
Waltraud
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