Seit jeher haben Geschichten die Gabe, uns auf wundervolle Weise zu berühren.
Mal verschaffen sie uns eine prickelnde Gänsehaut, mal berühren sie uns ganz tief im Herzen und durchströmen uns mit einem warmen, nährenden Strom.
Was sie auch machen, sie bieten uns Hilfe an.
Wie?
Indem wir durch die Protagonisten auf Themen schauen, in denen wir noch Unterstützung brauchen.
Wir nehmen eine „Außen-Sicht“ ein. Treten innerlich einen Schritt zurück.
Mit diesem Schritt zurück und unserem Blick von außen sehen wir mehr.
Sehen klarer.
Sehen Lösungen, die wir zuvor so noch nicht gesehen haben.
Möglicherweise kannst du gerade so eine Geschichte brauchen, die dich klarer sehen lässt.
Die dir im Trubel des Alltags eine kleine „Atempause“ verschafft.
Von einer Atempause im trubeligen Alltag handelt die folgende Geschichte von Jorge Bucay.
Ein Tipp vor dem Lesen:
- gehe neugierig und offen an diese Geschichte heran, egal ob du sie schon kennst oder nicht.
- lass dich mitnehmen und achte darauf, wo und wie dich diese Geschichte berührt.
Denn Geschichten haben die Angewohnheit, dir beim erneuten Lesen bis dahin unbekannte Botschaften ins Ohr zu flüstern.
Ohren auf und lass dich überraschen!
Also, los gehts:
DIE GESCHICHTE VOM HOLZFÄLLER
Es war einmal ein Holzfäller, der bei einer Holzgesellschaft um Arbeit vorsprach.
Das Gehalt war in Ordnung, die Arbeitsbedingungen verlockend, also wollte der Holzfäller einen guten Eindruck hinterlassen.
Am ersten Tag meldete er sich beim Vorarbeiter, der ihm eine Axt gab und ihm einen bestimmten Bereich im Wald zuwies.
Begeistert machte sich der Holzfäller an die Arbeit. An einem einzigen Tag fällte er achtzehn Bäume.
»Herzlichen Glückwunsch«, sagte der Vorarbeiter. »Weiter so.«
Angestachelt von den Worten des Vorarbeiters, beschloss der Holzfäller, am nächsten Tag das Ergebnis seiner Arbeit noch zu übertreffen. Also legte er sich in dieser Nacht früh ins Bett.
Am nächsten Morgen stand er vor allen anderen auf und ging in den Wald.
Trotz aller Anstrengung gelang es ihm aber nicht, mehr als fünfzehn Bäume zu fällen.
»Ich muss müde sein«, dachte er. Und beschloss, an diesem Tag gleich nach Sonnenuntergang schlafen zu gehen.
Im Morgengrauen erwachte er mit dem festen Entschluss, heute seine Marke von achtzehn Bäumen zu übertreffen.
Er schaffte noch nicht einmal die Hälfte.
Am nächsten Tag waren es nur sieben Bäume, und am übernächsten fünf, seinen letzten Tag verbrachte er fast vollständig damit, einen zweiten Baum zu fällen.
In Sorge darüber, was wohl der Vorarbeiter dazu sagen würde, trat der Holzfäller vor ihn hin, erzählte, was passiert war, und schwor Stein und Bein, dass er geschuftet hatte bis zum Umfallen.
Der Vorarbeiter fragte ihn: »Wann hast du denn deine Axt das letzte Mal geschärft?« »Die Axt schärfen?
Dazu hatte ich keine Zeit, ich war zu sehr damit beschäftigt, Bäume zu fällen.«
(aus dem Buch von Jorge Bucay „Komm, ich erzähl dir eine Geschichte“)
Bei was bist du hellhörig geworden?
Als der Waldarbeiter sich „angestachelt“ durch das erhaltene Lob
des Auftraggebers, sich am nächsten Tag noch mehr ins Zeug
legte, für eine noch bessere Leistung ?
Als er für die Arbeit alles Andere hintenangestellt hat, die Kollegen, Freunde, vielleicht auch die Familie?
Oder ist es sein schlechtes Gewissen und die Angst, nicht gut genug zu sein?
Was ist es bei dir?
Wann hast Du gemerkt, dass dich die Geschichte in ihren Bann gezogen hat?
Auf alle Fälle zeigt es uns sehr deutlich, auch Pausen sind absolut notwendig!
Zur Ruhe kommen, einen Gang zurückschalten,
wahrnehmen, was ist und was du gerade brauchst.
So kommst du wieder mit dir selbst in Kontakt.
Einfach weitermachen wie bisher, macht nicht immer Sinn. Es kann DICH abstumpfen.
Hier noch ein paar Fragen zum Weiterdenken:
Was war dein aha-Moment beim Lesen der Geschichte?
Merkst du, wenn deine „Axt“ stumpf wird, sobald dein Stresspegel zu hoch wird?
Nimmst du dir genügend Zeit, deine Axt zu schärfen? Wie machst Du das?
Weißt du die Kraft kleiner Pausen schon zu nutzen und zu schätzen?
Wie machst du das in deinem Alltag? Ich bin gespannt auf deine Antwort!
8 Comments
Liebe Waltraud, vielen Dank für diese berührenden Geschichte. Sie hält mir den Spiegel vor!
Du kennst meine Turbulenten Zeiten.
Der Aha-Effekt trat ein bei der Frage“wann hast du zum letzten Mal deine Axt geschärft“!!!
Und ich weiß auch vom Nutzen kleiner Pausen, habe mir aber die Wichtigkeit noch nie so vor Augen geführt!
Liebe Manuela, wie schön, dass dir diese berührende Geschichte auch etwas ins Ohr geflüstert hat.
Es ist so hilfreich sich immer wieder die Kraft der kleinen Pausen vor Augen zu halten.
Das gute, sie müssen nicht sehr lang sein, jedoch ganz bewusst und regelmäßig.
Der Atemzug am offenen Fenster, die ungestörte Tasse Tee oder Kaffee (ohne digitale Ablenkung😉) Die kleine Abendrunde an der frischen Luft.
Oder was auch immer deine persönliche „Axt“ schärft.
Liebe Waltraud, ich freue mich über den neuen Blog von dir! Ein toller Einstieg mit dieser klugen Geschichte. Weiter so! Du tust gut.
Vielen Dank liebe Bettina, für deine Wertschätzenden Worte 🤗
Liebe Waltraud,
ich freue mich über deinen Blog und dass du deine Träume ins Leben bringst. Und Geschichten – ich liebe sie. Diese kannte ich tatsächlich auch und danke für dein Tipp, sie einfach nochmals neugierig zu lesen. Ich verwende sie oft und erzähle sie nach. Was ich vergessen habe, ist tatsächlich der Vorarbeiter und das Gefallen wollen. Sehr spannend… Ja, Kinder brauchen Geschichten zum Einschlafen, Erwachsene zum Aufwachen. Das ist nicht von mir, ich weiß gerade nicht von wem.
Lieben Gruß
Sonja
Liebe Sonja, danke für deine Zeilen.Und deiner Liebe zu Geschichten, die haben wir gemeinsam. Und ich hoffe, diese Geschichte dient der einen oder dem anderen Lesenden zum „Wach“ werden. Ganz in dem Sinne, wie du geschrieben hast: Erwachsene brauchen Geschichten zum Aufwachen und auch zum wach bleiben.
Das wünsche ich mir!!!
Liebe Waltraud,
vielen Dank für die wunderbare Geschichte, in der so viele wichtige Themen stecken: Selbstwert, Identität, Selbstbeziehung, Achtsamkeit, Resilienz, Prioritäten setzen und vieles mehr. Danke für den Impuls und die Erinnerung daran, dass wir in den kleinen Pausen des Alltags den Rahmen für Selbstfürsorge gestalten können!
Liebe Grüße,
Flavie
Liebe Flavie, hach was für eine schöne „Zusammenfassung“ der dahinter liegenden Inhalte. 🥰
Ich bin überzeugt, dass wir ALLE immer wieder solche Erinnerungen brauchen.
Damit wir die Stopptaste in unserm kleinen oder großen Hamsterrad finden und auch drücken können.
Denn im Innehalten erkennen wir erst unsere ureigenen Bedürfnisse und können dann besser für uns sorgen. Selbstwirksam werde.